Streit um das Sicherheitspaket der Bundesregierung

Albtraum vieler Bürgerrechtler – Personen im öffentlichen Raum werden gescannt, identifiziert und erfasst. Der Überwachungsstaat lässt grüßen. AlinStock – shutterstock.com



Die Ampelregierung hat ein schärferes Sicherheitspaket auf den Weg gebracht. Entsprechende Vorlagen wurden am 12. September erstmals im Bundestag beraten. Neben einer härteren Asylpolitik geht es dabei auch um weitergehende Befugnisse für das Bundeskriminalamt (BKA) und die Bundespolizei. Beispielsweise sollen die Behörden Werkzeuge für Gesichts- und Stimmerkennung einsetzen können, um im Internet und in sozialen Netzwerken verdächtige Personen aufzuspüren.



Sicherheitsbehörden sollen noch besser in die Lage versetzt werden, Terrorismus, Extremismus und Kriminalität zu bekämpfen, hieß es dazu in einer Mitteilung des Bundesinnenministeriums. „Das ist eine unschätzbare Hilfe, um festzustellen, wo sich mutmaßliche Terroristen und Tatverdächtige aufhalten, ihre Pläne zu durchkreuzen oder sie dingfest zu machen“, kündigte Bundesinnenministerin Nancy Faeser von der SPD an. „Auch schaffen wir die Rechtsgrundlage, damit die Sicherheitsbehörden große Datenmengen automatisiert auswerten können und machen ihre Arbeit damit besser, schneller und effizienter.“ 


Wenn Sicherheitsbehörden große Datenmengen automatisiert auswerten können, macht das ihre Arbeit besser, schneller und effizienter, behauptet Bundesinnenministerin Nancy Faeser.Alexandros Michailidis – shutterstock.com



Doch diese neuen biometrischen Befugnisse der Polizei stoßen auf teils harsche Kritik verschiedener Organisationen und Verbände. Die neuen Befugnisse für Ermittlungsbehörden würden die Grundrechte von Millionen von Bürgerinnen und Bürgern einschränken und insbesondere die Rechte von Rassismus betroffenen Menschen, Asylbewerberinnen und Asylbewerbern sowie Geflüchteten aushöhlen, heißt es in einer Mitteilung des Chaos Computer Club (CCC). 



CCC-Sprecherin Elina Eickstädt verweist auf die aktuellen Diskussionen im Verein über verfassungsrechtliche Maßnahmen zum Schutz der Demokratie in Deutschland und warnt vor den Folgen einer von der AfD geführten Regierung. „Dazu zählt auch, jegliche technischen Voraussetzungen zu verhindern, die früher oder später nicht nur zur Überwachung, sondern auch zur gezielten Unterdrückung genutzt werden können“, sagt Eickstädt. „Das Sicherheitspaket liefert alles, was es jetzt dringend zu verhindern gilt.“ Ihr Kollege Matthias Marx kündigte an, im Falle einer flächendeckenden biometrischen Überwachung Anleitungen entwickeln und publizieren zu wollen, wie derartige Maßnahmen sabotiert und abgeschaltet werden könnten.



Amnesty International: Recht auf Protest bedroht



Christian Mihr, stellvertretender Generalsekretär von Amnesty International in Deutschland, fordert, „die Menschenrechte hochzuhalten und sich nicht mit rassistischen Zuschreibungen und kopflosen Gesetzesverschärfungen zu überbieten“. Die von der Ampelkoalition geplanten Befugnisse seien ein Einfallstor für Racial Profiling und gehörten abgeschafft. „All unsere Fotos oder Tonaufnahmen im Netz soll der Staat künftig mit Technologie für Stimm- und Gesichtserkennung durchsuchen dürfen“, stellt der Menschenrechtler fest. „Das verletzt die Privatsphäre der gesamten Bevölkerung.“ Auch das Recht auf Protest sieht Mihr bedroht, wenn Menschen sich künftig fragen müssten, ob Fotos von Demonstrationen mit Gesichtserkennung ausgewertet werden.  



Aus Sicht von Matthias Spielkamp, Geschäftsführer von AlgorithmWatch, bricht die Regierung mit ihren Plänen für eine flächendeckende biometrische Überwachung ihren eigenen Koalitionsvertrag. „Der Aktionismus der Ampel läuft hier in die völlig falsche Richtung.“ Unter dem Schock der Morde von Solingen bestehe die Gefahr, nun über das Ziel hinaus zu schießen. „Dass KI-gestützte Datenanalysen und biometrische Erkennung von öffentlichen Bildern und Videos für mehr Sicherheit sorgen, ist ein falsches Versprechen. Keine einzige Straftat würde dadurch verhindert.“ 



Solide Digitalisierung der Polizei dient der Sicherheit besser



Selbst regierungsnahe Organisationen üben heftige Kritik an den Plänen der Bundesregierung. „Im Hauruckverfahren werden Grundrechte radikal eingeschränkt“, schimpft Svea Windwehr, Co-Vorsitzende von D64 – Zentrum für Digitalen Fortschritt, das der SPD nahe steht. Der Massenüberwachung würden damit Tür und Tor geöffnet, die Grundrechte besonders schutzbedürftiger Gruppen untergraben. Windwehr spricht von blindem Aktionismus und warnt: „Wer nach verlorenen Wahlen auf billigen Populismus setzt, spielt den Rechtsextremen in die Hände.“ 



Teresa Widlok, Vorsitzende des FDP-nahen LOAD e.V., kritisiert die Gesetzentwürfe als absolut unhaltbar. „Was in manchen Landesgesetzen schon vom Bundesverfassungsgericht einkassiert wurde, soll nun für die Bundesebene legalisiert werden.“ Es sei unerträglich, dass auf dem Rücken der Bürgerrechte einem KI-Hype hinterhergelaufen werde, moniert Widlok. „Anstatt eine solide Ausstattung und Digitalisierung der Polizei voranzubringen, wie sie schon zahlreich vorgeschlagen und beschlossen, aber nie richtig umgesetzt wurde. Damit wäre der Sicherheit in Deutschland weit mehr gedient als mit rechtlich wackligen Instrumenten, die aktionistisch im Schweinsgalopp beschlossen werden sollen.“ 



eco-Verband fordert mehr Zeit für Debatten



Klaus Landefeld, Vorstand beim eco – Verband der Internetwirtschaft e.V., mahnt Vorsicht bei der Umsetzung der geplanten Maßnahmen an und betont die Notwendigkeit eines ausgewogenen Ansatzes: „Sicherheitsinteressen sind insbesondere nach den jüngsten Anschlägen nachvollziehbar. Neue Kompetenzen für Sicherheitsbehörden müssen aber immer auch mit effektiven Schutzmaßnahmen einhergehen. Nur so kann das Vertrauen der Gesellschaft in moderne Technologien, insbesondere KI, aufrechterhalten werden.“ 


Das Vorhaben betrifft den grundrechtsrelevanten Bereich der gesamten Bevölkerung und stärkt nicht gerade das Vertrauen in die Nutzung von Technologie und dem Internet, warnt Klaus Langefeld, Vorstand beim eco-Verband.eco Verband



Die geplanten weitreichenden Befugnisse bergen aus Sicht von Langefeld etliche Risiken, da sie über die Ermittlung von Tatverdächtigen hinausgehen und zu einer umfassenderen Überwachung führen könnten. Sorge bereitet dem eco-Mann insbesondere die unklare Definition der öffentlich zugänglichen Daten aus dem Internet. „Hier muss sichergestellt werden, dass keine Daten aus geschützten oder privaten Bereichen erfasst werden“, so Landefeld. 



Der eco Verband fordert präzise Regelungen, um Diskriminierung zu vermeiden und Missbrauch zu verhindern, und mehr Zeit für die gesellschaftliche Debatte über diese Maßnahmen. „Das Vorhaben betrifft den grundrechtsrelevanten Bereich der gesamten Bevölkerung und stärkt nicht gerade das Vertrauen in die Nutzung von Technologie und dem Internet“, sagt Langefeld. „Der Zeitrahmen für die aktuelle Debatte reicht nicht aus, um diese komplexen Fragen angemessen zu erörtern. Auch der weitere Schutz der Bürgerrechte im digitalen Bereich darf hier nicht im Schnellverfahren aufgeweicht werden.“ 



Nach ersten Beratungen im Parlament sind die Entwürfe bereits in den Innenausschuss überwiesen und sollen dort weiter diskutiert werden. Wann die Gesetze vom Bundestag in zweiter und dritter Lesung beschlossen werden, ist noch unklar. Teile des Pakets müssen auch noch vom Bundesrat verabschiedet werden.