Zahlt sich Microsofts KI-Einsatz aus?

Die Wall Street liebt Gewinner – und zwar Gewinner einer ganz besonderen Art. Gewinner, die die kurzfristigen Profitprognosen übertreffen und mit den besten Quartalsberichten punkten können. Dabei steigt der Aktienkurs eher, wenn die Quartalsgewinne eines Unternehmens unerwartet anziehen. Langfristige, strategische Pläne, die sich erst in ein paar Jahren auszahlen, kommen bei Investoren hingegen meist weniger gut an.



Das ist die Lehre aus der Reaktion der Börse auf Microsofts Quartalsbericht Ende Juli. Die große Neuigkeit für die Anleger? Dass Microsofts Cloud-basiertes Azure-Geschäft im Quartal „nur“ um 30 Prozent gewachsen ist, einen einzigen Prozentpunkt weniger als die 31 Prozent, die das Unternehmen prognostiziert hatte. 



Börse straft Microsoft ab



Am nächsten Tag bestraften die Investoren Microsoft. Während der Gesamtmarkt stieg – der S&P-Index; legte beispielsweise im selben Zeitraum um volle 86 Punkte zu – fiel die Aktie von Microsoft um mehr als vier Prozentpunkte.. Und das, obwohl  das Unternehmen einen Umsatzanstieg von 15 Prozent und einen Anstieg des Nettogewinns von 10 Prozent vermelden konnte.



Gähnen über Microsofts KI-Neuigkeiten



Die weitaus wichtigere Neuigkeit aus  dem jüngsten Bericht  – dass Microsoft voll auf künstliche Intelligenz (KI) setzt und langfristig massiv in Infrastruktur investiert, die sich möglicherweise erst nach Jahren amortisiert – schien an der Wall Street kein Gehör zu finden, zumindest gemessen am Aktienkurs des Unternehmens. 



Laut Amy Hood, Finanzvorstand von Microsoft, entfallen die Investitionen des Unternehmens in Höhe von 19 Milliarden Dollar fast ausschließlich auf KI und die Cloud. Das ist mehr als doppelt so viel wie vor zwei Jahren, bevor der KI-Boom richtig begann.



All diese Ausgaben störten die Wall Street. Auch wenn sie notwendig sind, wenn Microsoft den KI-Markt weiterhin dominieren und in Zukunft Milliardengewinne daraus ziehen will. Hood hat die Anleger wahrscheinlich verschreckt, als sie erklärte, dass die hohen Ausgaben „die Monetarisierung in den nächsten 15 Jahren und darüber hinaus unterstützen werden“. Denn für die Wall Street sind 15 Jahre eher 15 Äonen.



Rechnet sich Microsofts KI-Wette?



Es gibt einen Grund, warum die Finanzmärkte Unternehmen gegenüber misstrauisch sind, die große Investitionen in Technologien tätigen, die sich erst nach Jahren auszahlen: Sie könnten sich überhaupt nicht auszahlen. Was heute nach einer sicheren Wette aussieht, kann sich morgen als großer Fehlschlag erweisen. Beispiele dafür gibt es in der Technologie-Historie diverse– man denke nur an den Hype um Virtual Reality (VR).



Dieses Schicksal wird KI wohl nicht ereilen. Es sieht eher danach aus, dass der Gewinn umso größer ist, je größer der Einsatz ist. Schließlich hat VR noch nie bedeutende Umsätze eingebracht. Bei KI ist das durchaus der Fall, und die Technologie steckt immer noch in den Kinderschuhen.



Nachfrage übersteigt Kapazitäten



Tatsächlich wurden die Gewinne von Microsoft im letzten Quartal beeinträchtigt, weil das Unternehmen mit der Nachfrage nach seinen KI-Diensten nicht Schritt halten konnte. Microsoft-CEO Nadella und CFO Hood sagten bei der Vorstellung der Ergebnisse, dass Microsoft in diesem Quartal mehr KI-Dienste hätte verkaufen können, wenn in den Rechenzentren die Kapazität dazu vorhanden gewesen wäre.



Diese Einschränkungen bei Microsofts KI-Services werden voraussichtlich noch bis Ende des Jahres anhalten. Doch dank der neuen Investitionen sei laut Hood für das Jahr 2025 Besserung in Sicht. Die Managerin erwartet, dass die Cloud-Umsätze, getrieben durch die KI-Nachfrage,  im ersten Quartal des Geschäftsjahres 2025 um 28 bis 29 Prozent wachsen werden. 



Shooting Star Copilot



Und das ist erst der Anfang. Nadella drückte es so aus: „Das sind Dinge, die ganze Generationen prägen, wenn sie erst einmal in Gang gekommen sind.“ Und er merkte an, dass Copilot Generative AI (GenAI), das Begleitprogramm des Unternehmens zu Microsoft 365  (früher Microsoft Office), „schneller wächst als jede andere Softwaregeneration, die wir zuvor für die Office-Suite auf den Markt gebracht haben“.